Aktien erzielen die höchsten Erträge
Mai 25, 2016Bauboom der Extraklasse
Derzeit findet in Deutschland ein regelrechter Bauboom statt. Die niedrigen Hypothekarzinsen auf der einen und die niedrigen Zinsen für Sparguthaben auf der anderen Seite „zwingen“ die Anleger praktisch zum Immobilienkauf (Abb. 1). Der ungewöhnlich starke Preisanstieg der letzten Jahre feuert die Kaufbereitschaft weiter an. Potenzielle Investoren erwarten weitere Preissteigerungen, so unwahrscheinlich diese auch sein mögen. Nüchtern betrachtet ist insbesondere ein Kauf von Eigentumswohnungen trotz Mietersparnis weniger lohnenswert als von vielen erwartet.
Aber nicht nur die Wertsteigerung der letzten Jahre begeistert Investoren. Seit 1976 sind die Preise für Eigentumswohnungen (Neubau) um satte 129 % gestiegen (Abb. 2). So eindrucksvoll das auf den ersten Blick erscheint, entspricht es lediglich einer Wertsteigerung von 2,2 % pro Jahr. Die Inflationsrate lag im gleichen Zeitraum übrigens bei 2,3 % pro Jahr.
Zu berücksichtigen ist zudem, dass sich auch die Preise für Eigentumswohnungen historisch in Zyklen bewegt haben. Nach einer Preissteigerung von 31 % während der letzten fünf Jahre ist die Luft dünn geworden. Von 1995 bis 1999 kam es – ebenfalls nach überproportionalen Preissteigerungen – in diesem Segment beispielsweise zu einem Rückgang um 6 %. Aus antizyklischer Sicht ist aktuell also nicht der beste Zeitpunkt, um solche Immobilien zu kaufen (Abb. 3).
Realistische Bewertung
Entscheidend für die Preiswürdigkeit einer Wohnung ist das Verhältnis von jährlicher Kaltmiete zum Kaufpreis (Bruttomietrendite). Während die Immobilienpreise stark schwanken, sind die Mietrenditen relativ konstant. Von 1976 bis 2013 betrug die durchschnittliche Bruttomietrendite für Eigentumswohnungen in den größten deutschen Städten 3,9 % p.a. (Abb. 4). Aufgrund des Preisanstiegs der letzten Jahre fielen diese Renditen deutlich und liegen in Top-Lagen deutscher Großstädte aktuell nur noch bei rund 3 % p.a. ein jährlicher Instandhaltungs- bzw. Abschreibungsaufwand von durchschnittlich 2 % p.a. Diese beziehen sich aber nur auf den Gebäudeteil. Bei einer Eigentumswohnung in einem Mehrfamilienhaus dürfte der Gebäudeanteil ca. 85 % und der Grundstücksanteil entsprechend nur ca. 15 % betragen. Die Instandhaltungsaufwendungen betragen dann 1,7 % bezogen auf die gesamte Immobilie (2 % x 0,85). Daneben entstehen für Wohnungseigentümer noch Kosten für die Hausverwaltung in Höhe von ca. 0,1 % p.a. Umlagefähige Nebenkosten wie Heizungskosten werden nicht berücksichtigt, da Mieter diese genauso bezahlen müssen wie die Besitzer selbstgenutzter Eigentumswohnungen. Nach Abzug der laufenden Nebenkosten (1,8 %) von der Bruttomietrendite (3,9 %) ergibt sich eine Nettomietrendite von nur noch 2,1 %.
Teurer Erwerb
Auch beim Kauf von Immobilien entstehen Kosten: Die Grunderwerbsteuer beträgt – je nach Bundesland – aktuell zwischen 3,5 % und 6,5 % – im Durchschnitt 5,0 %. Hinzu kommen Notargebühren (1,0 %) und Kosten für den Grundbucheintrag (0,5 %). Muss ein Makler beauftragt werden, fällt zusätzlich Provision an, die wir hier mit durchschnittlich 3,5 % des Kaufpreises annehmen. Durch gesetzliche Änderungen („Bestellerprinzip“) können in dieser Hin
sicht künftig auch beim Verkauf noch einmal Kosten auf den Eigentümer zukommen, zumindest dann, wenn er darauf angewie- sen ist, schnell einen Käufer zu finden. Zusammengerechnet belau- fen sich die Anschaffungsnebenkosten auf 10% des Kaufpreises. Über die gesamte Nutzungsdauer einer Immobilie von 50 Jahren ergeben sich so zusätzliche Kosten in Höhe von 0,2% pro Jahr.
Renditevergleich
Nach Abzug aller Kosten errechnet sich ein Gesamtertrag für selbstgenutzte Eigentumswohnungen von 4,1 % p.a. Unter Berücksichtigung der Inflationsrate beträgt der reale Gesamtertrag lediglich 1,8 % (Tab.). Dies ist wahrscheinlich deutlich weniger, als die meisten Immobilienkäufer erwarten. Im Falle einer Fremdfinanzierung müssten die Finanzierungskosten auch noch abgezogen werden. Je nach Fremdkapitalanteil kann die reale Gesamtrendite selbst bei den aktuell rekordtiefen Zinsen dann sogar negativ werden.
Hinsichtlich der langfristigen Maximierung der Kaufkraft ist die Aktienanlage dem Wohnungskauf deutlich überlegen. Der Deutsche Aktienindex DAX erzielte im selben Zeitraum eine Rendite von 7,7 % vor Abzug der Inflation und 5,4 % nach Abzug der Inflation (s. Tab.).
Mit Aktien beteiligt man sich an Unternehmen. Diese nutzen sich im Gegensatz zu Immobilien nicht ab, sondern gewinnen im Zeitablauf an Wert, falls die Produktivität gesteigert werden kann. Mit einer Investition in das reale Produktivvermögen konnte man so von 1976 bis 2013 durchschnittlich 3,6 % pro Jahr mehr an Kaufkraft schaffen als mit Immobilien (Abb. 5).
Gravierende Nachteile
Immobilien erzielen aber nicht nur weniger Rendite als Aktien, sondern haben auch noch weitere Nachteile. Wie der Name schon sagt, sind Immobilien immobil, also nicht beweglich. Während man ein Wertpapierdepot problemlos bei einem Umzug „mitnehmen“ kann, bleibt die Immobilie ortsgebunden.
Ein zweiter großer Nachteil von Immobilienbesitz ist dessen Illiquidität. Im Gegensatz zu Aktien werden Immobilien nicht an der Börse gehandelt und sind deshalb auch nicht jederzeit veräußerbar. Es kann lange dauern, bis man einen Käufer für seine Immobilie gefunden hat. Ist man unter Zeitdruck, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass man Preiszugeständnisse machen muss und auch unter Verkehrswert verkauft. Für die Ersatzimmobilie entstehen wiederum hohe Kaufkosten (s.o.).
Zuletzt sei noch erwähnt, dass eine Immobilie bei den meisten Personen den größten Teil ihres Vermögens ausmacht. Dadurch besteht ein erhebliches Klumpenrisiko. Würden Sie in einen Fonds investieren, die nur eine Aktie enthält?
Fazit
Immobilien sind grundsätzlich eine attraktive, ertragbringende Anlageklasse. Eine selbstgenutzte Wohnung kann deshalb nicht nur die Lebensqualität erhöhen, sondern auch zum Vermögensaufbau beitragen. Die zu erzielende Rendite mit Eigentumswohnungen dürfte aber überschätzt werden. Seit 1976 konnte man damit eine durchschnittliche Rendite von 4,1 % p.a. vor Inflation und 1,8 % p.a. nach Abzug der Inflationsrate erzielen. Wer jetzt noch eine Immobilie in guter Lage erwirbt, sollte mit einer geringeren Rendite rechnen. Eine Finanzierung mit Fremdkapital kann sogar zu einer leicht negativen Realrendite führen. Darüber hinaus sind Immobilien immobil und illiquide. Eine Anlageklasse, die deutlich mehr Rendite abwirft und die genannten Nachteile nicht hat, ist die Aktie. Wer tiefer in das Thema einsteigen will, dem sei das Buch "Kaufen oder Mieten" von Gerd Kommer empfohlen, der dem Autor auch viele wertvolle Hinweise für diese Ausarbeitung gegeben hat.
erschienen im Smart Investor Magazin, Ausgabe 11/2014