Kapitalmarktausblick 2024

12. Kapitalmarktausblick von Benjamin Knöpfler, 4.2.2024

Zinswende – und den Aktienmarkt interessiert es nicht!

 

Liebe Börsenfreunde,

das vergangene Jahr hat wieder einmal gezeigt, dass die Entwicklung des Aktienmarktes kurzfristig nicht prognostizierbar ist. Es war doch anzunehmen, dass die steigenden Zinsen zu einer deutlichen Wirtschaftsabschwächung führen würden – und dadurch zu fallenden Aktienkursen. Es kam jedoch völlig anders. Der Leitzinssatz stieg zwar so stark wie nie in der Geschichte der Europäischen Zentralbank – von 0,00% im Juli 2022 auf 4,50% im September 2023 – doch der Deutsche Aktienindex DAX legte letztes Jahr um 20% zu. Wie kurios!

Tatsächlich wirkten sich die gestiegenen Zinsen deutlich auf die Wirtschaftsentwicklung aus. Das Neugeschäftsvolumen für Wohnimmobilienkredite sank im Vergleich zum Vorjahr um knapp 40%. Die Baunachfrage brach um bis zu 30% ein, die Auftragseingänge im verarbeitenden Gewerbe fielen zeitweise um 9%. Die Stimmung in der Wirtschaft verschlechterte sich deswegen. Der Einkaufsmanagerindex fiel auf den tiefsten Stand seit der Corona-Krise. Doch die Aktienkurse stiegen und stiegen.

 

Leitzinssatz Europäische Zentralbank und Deutscher Aktienindex DAX

Leitzinssatz Europäische Zentralbank und Deutscher Aktienindex DAX

 

Der DAX erzielte am 30. Januar 2024 sogar ein neues Allzeithoch. Ende Oktober 2023 hat ein regelrechtes Kursfeuerwerk gestartet, weil die EZB ihren Leitzinssatz nicht weiter erhöhte und weil sich abzeichnete, dass die großen deutschen börsennotierten Unternehmen im Jahr 2023 Rekordgewinne erzielen werden. Laut Berechnungen des Aktienjahrbuchs werden diese 134 Mrd. EUR betragen; ein Drittel davon wird auf die vier Automobilunternehmen BMW Group, Mercedes-Benz Group, Porsche AG und Volkswagen Group entfallen.

 

Deutscher Aktienindex DAX und Unternehmensgewinne DAX-Unternehmen

Deutscher Aktienindex DAX und Unternehmensgewinne DAX-Unternehmen

 

Die aktuelle Gewinnrendite der 40 DAX-Unternehmen beträgt 7,8% und deren Dividendenrendite 3,3% (26.1.2024). Auf lange Sicht sind das attraktive Verzinsungen; kurzfristig dürfte der Aktienmarkt jedoch überkauft sein. Auch mittelfristig müsste sich das gestiegene Zinsniveau negativ auf die Gewinnentwicklung auswirken. Die EZB ist fest entschlossen, die Inflation von aktuell 2,9% wieder auf 2,0% zu senken. Höhere Leitzinsen führen zu höheren Finanzierungszinsen und „restriktive Finanzierungsbedingungen dämpfen die Nachfrage“, so die EZB.

Das vergangene Jahr hat wieder einmal gezeigt, wie wichtig es ist, immer im Markt investiert zu sein; dann kann man nie auf dem falschen Fuß erwischt werden. Je nach Risikotoleranz kann eine strategische Aktienquote festgelegt werden. Die anderen Mittel werden in Anleihen investiert. Fallen die Aktienkurse und somit die Aktienquote, sollten Aktien antizyklisch nachgekauft werden. Steigen die Aktienkurse und somit die Aktienquote, sollten Aktien antizyklisch verkauft werden.

Das Zinsniveau ist weiter gestiegen. Die Umlaufrendite für deutsche Staatsanleihen beträgt aktuell 2,2%. Der Weg dorthin hat viele Anleiheinvestoren mit einer starren Anleihenquote viel Geld gekostet. Der Deutsche Staatsanleihenindex REXP verlor zeitweise bis zu 19% seines Wertes – so viel wie noch nie! Deshalb habe ich in meinem letzten Kapitalmarktausblick geraten, nur in kurzlaufende Anleihen zu investieren, die weniger anfällig auf Zinsänderungen reagieren.

Die gestiegenen Zinsen haben auch massive Spuren auf dem Immobilienmarkt hinterlassen: Immobilienkredite verteuerten sich; das Finanzierungsvolumen sank, weil Schuldner mehr Geld für die Kreditzinsen ausgeben mussten und weniger Geld für die Kredittilgung zur Verfügung stand; die Immobilienpreise für Neubau-Eigentumswohnungen sanken um 1,9%. Wer hätte das vor ein paar Jahren gedacht! Jeder wollte doch Immobilien kaufen, koste es, was es wolle. „Die Preise steigen doch sowieso“, dachten alle. Im Jahr 2014 habe ich einen Artikel unter dem Titel „Antizyklische Worte zum Wohnungskauf“ im Smart Investor Magazin veröffentlicht, indem ich mich kritisch zu Immobilien geäußert habe. Die Immobilienpreise sind damals schon um 36% gestiegen gewesen (2005 – 2013). Danach stiegen sie aber um weitere 87% (2014 – 2022). Damals war mir einfach noch nicht klar, welch massiven Einfluss das Zinsniveau auf die Immobilienpreise hat und wie lange Zyklen andauern können. Man lernt eben nie aus!

Gold hat ein gutes Jahr hinter sich. Der Goldpreis in Euro stieg um knapp 10%. Getrieben wurde dieser von der hohen Inflation. Gold war in der Vergangenheit ein guter Inflationsschutz und sollte es auch in Zukunft sein.

Wie bereits im letzten Kapitalmarktausblick angekündigt, gibt es eine neue zusätzliche Publikation des Aktienjahrbuchs: das „Aktienjahrbuch Bewertungsaktualisierung“. In diesem neuen Aktienjahrbuch werden die Gewinn- und Dividendenschätzungen sowie das Kurs/Gewinn-Verhältnis und die Dividendenrendite nicht nur für das laufende Kalenderjahr sondern für drei Jahre publiziert. Zudem enthält es Diagramme mit der historischen Entwicklung des Kurs/Gewinn-Verhältnisses und der Dividendenrendite. Dadurch sehen Sie auf einen Blick, ob die aktuelle Unternehmensbewertung im historischen Vergleich günstig oder teuer ist. Das Aktienjahrbuch Bewertungsaktualisierung können Sie auf meiner Internetseite www.aktienjahrbuch.de bestellen.

Herzliche Grüße und gewinnbringende Investitionen im Börsenjahr 2024 wünscht Ihnen

Ihr

Benjamin Knöpfler